Im Jahr der Olympischen Spiele seien ein paar Metaphern aus der Welt des Sports auch im Feld der Chormusik erlaubt – im Fall des neuen musikalischen Leiters der Rheinischen Kantorei drängen sie sich besonders auf. Denn Edzard Burchards hat für dieses Amt lange in den Startlöchern gestanden, bevor in diesem Jahr die gut vorbereitete Staffelübergabe geglückt ist; Burchards konnte die Ensembleleitung von Chorgründer und Festivalleiter Hermann Max übernehmen. Was beim Staffellauf nicht erlaubt ist, entpuppte sich im Fall der beiden Chorleiter als besonderes fruchtbar: Burchards konnte einen großen Teil der bisherigen Wegstrecke an der Seite von Max zurücklegen.
Wann haben Sie denn erstmals mit der Rheinischen Kantorei zusammengearbeitet?
Das ist schon sehr lange her: Das erste Mal Teil der Rheinischen Kantorei war ich 1990. Ich hatte Max auf einem kleinen Workshop eines Alte-Musik-Festivals kennengelernt und habe ihm vorgesungen. Seitdem habe ich bei ihm gesungen und relativ früh auch Proben für ihn geleitet. Ich war nicht offiziell sein Assistent, habe aber im Grunde die Arbeit eines Assistenten verrichtet. In diesem Zusammenhang haben wir natürlich viel über Musik gesprochen. Und so konnte ich schon immer von seinem immensen Wissen profitieren.
Das Repertoire von Ensembles der historisch informierten Aufführungspraxis ist ja im Lauf der vergangenen Jahrzehnte viel breiter geworden. Aber vermutlich war es möglich, diese Erfahrung der Anfangsjahre – „Wie erarbeite ich mir Musik so, wie sie wohl zur Entstehungszeit aufgeführt wurde?“ – auszudehnen auf andere Epochen, andere Gattungen und Genres?
Genau! Das fing an mit Renaissance- und Barockmusik und obwohl noch lange nicht alle Musik aus dieser Zeit ediert ist – aktuell sind das vielleicht 10% dessen, was es gibt -, waren alle schon immer interessiert daran, über die Grenzen hinauszukommen und haben ihre Forschungen auf romantische Musik bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ausgedehnt. Das war bei uns ja ähnlich: Natürlich war unser Schwerpunkt zu Beginn Johann Sebastian Bach und die Familienmitglieder vor ihm, aber auch Telemann war ein Schwerpunkt. Wir haben dann viel Musik von Ferdinand Ries aufgeführt, einem Beethoven-Zeitgenossen, und sind immer weiter in der Musikgeschichte fortgeschritten, wie andere Ensembles auch.
Ihre tiefe Verbundenheit mit der Rheinischen Kantorei ist insofern etwas Besonderes, als Sie als gebürtiger Oldenburger aus dem hohen Norden Deutschlands kommen.
Richtig, ich bin in Norddeutschland geboren, habe aber in Süddeutschland studiert. Nach meinem Studium habe ich noch gar nicht so viel Chorleitung betrieben, sondern selbst in professionellen Chören gesungen. Darunter waren die großen Ensembles in Europa unter Chorleitern wie Frieder Bernius, Thomas Hengelbrock, John Eliot Gardiner bis hin zu Philippe Herreweghe. Vor zwölf Jahren bin ich dann wieder zurückgekehrt und jetzt in Hamburg sesshaft geworden, nachdem ich diese lange Zeit des Wanderns hinter mir habe. Aus all diesen Erfahrungen kann ich jetzt schöpfen, gebe sie weiter in Chorproben, aber auch in Kursen und Seminaren.
Das Gespräch führte Daniel Frosch.