Georg Philipp Telemann hat der Nachwelt ein Œuvre von geradezu verwirrender Vielfalt und Quantität hinterlassen: Vokale und instrumentale Kammermusik, Konzerte und Orchestersuiten, Oratorien und Opern türmen sich zu einem Gebirge, mit dessen völliger Auswertung gewiß noch Generationen beschäftigt sind. Allein die Zahl seiner (erhaltenen) Kirchenkantaten bewegt sich im vierstelligen Bereich, und es gehört schon eine außerordentliche Zielstrebigkeit dazu, heutzutage aus dieser Überfülle ein sinnvolles Pasticcio zusammenzufügen, wie es Hermann Max für die vorliegende Produktion getan hat: Fünf bislang weder eingespielte noch gedruckte Kantaten aus Telemanns Hamburger und Frankfurter Zeit hat der Leiter der Rheinischen Kantorei und des Kleinen Konzertes ans Licht gebracht und zu einem »Weihnachtsoratorium« verbunden, das die Feiertage von der Geburt Jesu bis Epiphanias umfaßt – eine Hypothese zwar, die aber sowohl aus den historischen Gepflogenheiten als auch aus ihren klingenden Resultaten die schönsten Rechtfertigungen ziehen kann. Die musikalischen Wiederentdeckungen sind echtester Telemann, wie nicht zuletzt die durchweg opernhafte Haltung der einzelnen Kantaten und des daraus gewonnenen Oratoriums verraten: Aus dramatischen Rezitativen, Dialogszenen und Arien sowie aus den Chören, die sich nicht auf ihre reflektierende Rolle beschränken, entsteht ein lebendiges Geschehen, das den Kirchenraum einst in eine erhabene Bühne verwandelte, auf der sich Unglaubliches in Glauben verwandelte.