1550 wird Veit Bach - der Urgroßvater Johann Sebastians - geboren. Er gilt als Urvater der Bach-Familie, deren Mitglieder zunächst „nebenamtlich“ Musiker sind. 1845 stirbt Wilhelm Friedrich Ernst als letzter bedeutender Komponist der Familiengeschichte. Johann Sebastian – sicher bedeutendstes Mitglied der Familie - komponiert nach den überkommenen Regeln seiner Zeit, bringt aber in unverwechselbarem Personalstil eine Musik zu Papier, die nicht mehr nur epochentypisch wirkt. Strenge Kontrapunkt-Formen übernimmt er und versieht sie neuartig mit extrem heftigen Affekten durch kühnste Harmonien und überraschende Stimmenverläufe. Seine Söhne lassen in ihren Werken erkennen, bei wem sie gelernt haben, machen aber auch Einflüsse von Haydn und Mozart hörbar. Dass sie mehr Instrumentalmusik als geistliche Vokalmusik komponieren, mag dem aufgeklärten Zeitgeist ihrer Epoche geschuldet sein. Als die Familiengeschichte Bach mit Wilhelm Friedrich Ernst in der Mitte des 19. Jahrhunderts endet, ist seit längerem ein wachsendes Interesse an J.S. Bach deutlich. Clara und Robert Schumann, Brahms und nicht zuletzt die Mendelssohns stehen an der Spitze der bis heute andauernden Bach-Renaissance. Felix Mendelssohns Begeisterung wird u.a. in seinem Wunsch deutlich, in Leipzig einen Gedenkstein für Bach zu erstellen. Er scheut dafür keine Mühe, sammelt fleißig Spenden und gibt Orgelkonzerte, übt dafür viel und gesteht seiner Schwester, ich habe acht Tage vorher geübt, dass ich kaum auf meinen Füßen gerade stehen konnte und nichts als Orgelpassagen auf der Straße ging. Während dieser Zeit erfährt er überrascht, dass ein Enkel Bachs – Wilhelm Friedrich Ernst – in Berlin lebt. Sein Bruder muss sofort alles über diese „Entdeckung“ herausfinden. Bewegend ist schließlich das Zusammentreffen am 23. April 1843 in Leipzig, als bei der Gedenkstein-Enthüllung die gesamte Wilhelm-Friedrich-Ernst-Familie dem sichtlich ergriffenen Mendelssohn begegnet. Nach stetig angewachsenem Interesse an Johann Sebastian und seinen Nachfahren gilt danach die Neugier bald auch den Vorfahren des Thomaskantors. So beginnt das diesjährige Festival mit einer der großartigsten Schöpfungen vor 1700, einem Werk des talentiertesten Thomaskantor-Vorfahren: Johann Christoph. Der erzählt in der Hochzeitskantate Meine Freundin, du bist schön mit blühender Fantasie, wie sich die zunächst verheimlichte Zuneigung zweier Liebenden bis hin zur Hochzeit ereignisreich entwickelt. Der hochverehrte Maler, Lehrer und Komponist Johann Ludwig Bach ist in seiner Trauermusik zweifellos ausdrucksstark wie sein Vetter Johann Sebastian, der immerhin fast zwei Dutzend Kantaten des Meininger Verwandten in Leipzig aufführt. Im achtstimmigen Chor Meine Bande sind zerrissen gibt er dem Blick ins Jenseits verstörenden Ausdruck, indem er düstere Emotionen, nicht ohne Hoffnungs-schimmer, malerisch darstellt – was bei einem Maler nicht überrascht. Johann Sebastians Söhne Carl Philipp Emanuel (Hamburger Bach), Christoph Friedrich (Bückeburger) und Johann Christian (Londoner) komponieren gefälliger als ihr Vater und sind Wegbereiter einer neuen Epoche, deren Interesse bald mehr der weltlichen als der geistlichen Musik gilt. Wilhelm Friedrich Ernst, viel gereister Sohn des Bückeburger Bachs, der zwei Jahre vor Mendelssohn stirbt, ist mehr als alle seine Vorfahren in weltlicher und instrumentaler Musik zu Hause. Ein zeitloses Plädoyer für Hoffnung auf Erbarmen und Frieden in dieser Welt sind die Sätze aus Johann Sebastians h-Moll-Messe, mit denen das Konzert endet.